Dieser Artikel beschäftigt sich mit der viel beschworenen Verkehrsentlastung, der Wissenschaft dahinter und den Konsequenzen, die verkehrspolitische Entscheidungen langfristig nach sich ziehen. Diese Entlastung soll nämlich durch die Lobauautobahn geleistet werden – dass diese so nicht eintritt, belegen allerdings Zahlen der TU Wien, des BMVIT und der Asfinag selbst. Welche Alternativen es gibt und was induzierter Verkehr ist, findet ihr hier heraus.

Die Donaustadt hat ein Verkehrsproblem. Während in Wien der Anteil des motorisierten Verkehrs stetig sinkt, steigt die absolute Zahl des Bestands an PKWs und Kombis in einigen Wiener Bezirken stetig an (STAT Austria). Der einzige Bezirk, bei dem der Motorisierungsgrad auch im Vergleich nicht sinkt, sondern seit 2002 konstant bleibt – also sich Autobesitz und Bevölkerungszunahme die Waage halten – ist die Donaustadt.

Grafik: Stadt Wien

Warum ist das ein Problem? Wien hat sich im Zuge des Stadtentwicklungsplans 2025 (STEP 25) selbst einige Ziele für den Verkehr gesetzt, darunter die Einhaltung von bestimmten Zielen zum Anteil des motorisierten Individualverkehrs (=MIV) am Gesamtverkehr in Wien. Diesen Zielen zu Folge soll der Anteil des MIV, im Großteil PKW’s, bis 2025 auf 20%, sowie bis 2030 auf 15% sinken.

Grafik: Stadt Wien
Grafik: Asfinag

Diese verkehrspolitischen Zielsetzungen finden sich im Fachkonzept Mobilität der Stadt Wien, im STEP 25, sowie in der Smart City Rahmenstrategie der Stadt Wien wieder, beide wurden von Expert:innen der Stadt Wien und darüber hinaus erstellt. Dem gegenüber stehen Projekte, nämlich die Lobauautobahn, die Stadtstraße sowie die S1-Spange, die vor 20 Jahren geplant wurden. Die Ziele für die Stadt der Zukunft mit den berechtigten Bedürfnissen der Donaustädter:innen nach Verkehrsentlastung in Einklang zu bringen, ist Aufgabe einer sozialen und nachhaltigen Verkehrspolitik.

Verkehrsentlastung

Was ist jetzt das Ziel des Projektes? Das Ziel ist es, eine weitere „Anbindung“ der Seestadt Aspern zu ermöglichen, sowie die unbestritten nötige Verkehrsentlastung für die Donaustadt und für Teile Floridsdorfs zu erreichen. Um diese Ziele zu erfüllen, sollen eine Autobahn, eine Stadtstraße, sowie eine Verbindungsspange errichtet werden. Weitere Ziele sind die Entlastung der A23, sowie die „Schließung des Autobahnenrings“ um Wien, um den Durchzugsverkehr von der A23 weg zu verlagern. Was auf den ersten Blick logisch klingt – nämlich neue Straßen zu bauen um bestehende zu entlasten, sowie eine weitere Transitroute zu schaffen, hält der Realität aus mehreren Gründen nicht stand. Sogar die Asfinag als Bauträger selbst, sowie unterschiedliche Studien der TU Wien und die strategische Umweltprüfung deuten auf eine Verkehrszunahme auf den zu entlastenden Straßen hin. Das heißt, dass die langfristige Verkehrsbelastung durch die Projekte Lobauautobahn, S1-Spange sowie der Stadtstraße im Vergleich zu Alternativen steigt. Der Grund hierfür ist der sogenannte „induzierte Verkehr“.

Induzierter Verkehr

Die Argumentation, dass mehr Straßen(fläche) für weniger Verkehr sorgt, ist weit verbreitet:

„Die Stadtstraße muss vierspurig gebaut werden, nur in Verkehrsfragen Ahnungslose sehen das anders.“ (Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher Donaustadt 2015)

Hier kommt aber der induzierte, also hergeleitete Verkehr ins Spiel: Wenn sich bei gleichbleibender Nachfrage das Angebot erhöht, sinkt der Preis und die konsumierte Menge steigt. Dieser wirtschaftliche Grundsatz wird als induzierte Nachfrage bezeichnet. Derselbe Grundsatz wird auch seit langem in der Verkehrsplanung beobachtet und eben als induzierter Verkehr bezeichnet. Dieses Phänomen ist seit Jahrzehnten bekannt, theoretisch erklärt und durch zahlreiche Daten und Fakten belegt. Anders gesagt: wenn ein Weg mit viel Stau verbunden ist, wird dieser von den Menschen lieber mit alternativen Mitteln wie z.B. dem öffentlichen Verkehr bewältigt. Aber wenn die Straße frei ist, wird ein großer Anreiz dazu geschaffen sie mit dem Auto zu verwenden – so lange bis sie wieder voll ist.

Transitrouten

Auch die Argumentation, dass die Autobahn eine notwendige Transitroute für bestehenden Verkehr darstellt, fällt flach. Nur 8-9% des motorisierten Individualverkehrs in Wien ist Transitverkehr, bei Güterverkehr ist dieser Wert bei ungefähr 20% (AK-Wien).

„Es ist widersinnig, den Transitverkehr, der weder Ziel noch Ursprung in Wien hat, in die Stadt hineinzuziehen. Keine Metropole Europas tut das.“ (Erich Valentin, Gemeinderat Wien 2021)

Die Ziele dieses Transitverkehrs in Wien sind jedoch meistens nicht über der Donau, sondern auf der derselben Donauseite. Nur 30% des gesamten Transitverkehrs queren die Donau (Donaukordonzählung).

Alternativen

Das alles ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Donaustadt ein großes Problem in ihrer Verkehrsabwicklung hat. Wie lässt sich dieses jetzt so lösen, dass die vorher beschriebenen Probleme nicht eintreten? Die strategische Umweltprüfung 2003 hat ein Szenario erstellt, dass diese Punkte erfüllt. Dieses Szenario wurde auch 2018 in einer Studie der TU Wien in seiner Wirkung bestätigt. Gemeint ist der konsequente und umfassende Ausbau der nachhaltigen öffentlichen Mobilität in der Donaustadt. Angefangen beim Ausbau der bestehenden Linie S80 auf 4-Gleisigkeit, dem Bau von zusätzlichen Straßenbahnkilometern, bis zu einem intensiven Ausbau der Busbetriebszeiten und Intervalle.

Auch der Klimarat der Stadt Wien hat festgehalten: „Projekte wie der Lobautunnel, die S1 (die Lobau-Autobahn und die Spange Seestadt), die Stadtstrasse Aspern (…) müssen im Sinne einer klimagerechten Stadt aufgehalten werden. Diese verhindern einen langfristigen Umstieg auf nachhaltige Mobilität. Als Ersatzmaßnahmen müssen sozial-gerechte autofreie Alternativen für Bewohner:innen der betroffenen Stadtteile geschaffen werden.“

Eine überzeugende Verkehrswende in Wien ist notwendig und überfällig. Denn was bereits jetzt klar ist: „Sehr wohl geeignet ist sie als Symbol und Projektionsfläche, auf die sich der Widerstand der Klimabewegung konzentrieren wird. Selbst den am meisten verbissenen Befürwortern sollte klar sein, dass sie hier ein Hainburg 2.0 heraufbeschwören. Und der Ausgang der ursprünglichen Proteste um Hainburg ist hinlänglich bekannt.“ (Högelsberger 2021).

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