In Österreich sind 127 000 Menschen in Pflege- und Betreuungsberufen tätig. Sie arbeiten in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Rehabilitationseinrichtungen, in der Hauskrankenpflege oder im Behindertenbereich. Doch diese 127 000 Pflege- und Betreuungskräfte sind nicht genug um neben den Patient:innen im Akutbereich auch noch die knapp 500 000 Pflegegeldbezieher:innen zu versorgen. Besonders deutlich wird das, wenn wir uns vor Augen führen, dass bis 2030 mindestens 76 000 zusätzliche Pflegekräfte in Österreich benötigt werden. Unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen in der Pflege – also ständigem Einspringen, familienunfreundliche Dienstzeiten und kein angemessenes Gehalt – ist es keine Überraschung, dass in allen Bereichen schon vor der Corona Pandemie Personalmangel herrschte. Auch vor 2020 konnten wir von einem ausgewachsenen Pflegenotstand sprechen.

Die Corona Pandemie hat uns gezeigt wie abhängig unser Gesundheitssystem von Pflegekräften ist und wie zerbrechlich es sein kann, wenn die Pflege nicht mehr funktioniert. Deshalb ist es notwendig, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeit in der Pflege attraktiver zu machen – nicht nur um neue Menschen für den Job zu begeistern, sondern auch um bereits bestehendes Personal zu halten. Denn schon vor der Pandemie gab es in Österreich 30 000 ausgebildete Pflegekräfte, die nicht mehr in diesem Beruf arbeiten. Derzeit denkt fast jede zweite Pflegeperson regelmäßig über einen Berufsausstieg nach und 5 Prozent der Pflegekräfte (also über 6 000 Menschen) planen ihren Berufswechsel bzw. setzen ihn gerade um.

Zu Beginn der Corona Krise wurden Pfleger:innen als Alltagsheld:innen in den Himmel gelobt, durften Applaus vom Balkon ernten und sich an Dankesreden von führenden Politiker:innen laben. Doch damit werden die steigenden Belastungen und das Burn-Out Risiko für Pflegekräfte nicht geringer. Auch mit einem „Danke“ kann man die Miete oder Kosten für Kinderbetreuung nicht bezahlen.

Pflegepersonal
(c) cottonbro / pexels

Um die Pflege auch in Zukunft zu sichern, müssen nicht nur mehr Ausbildungsplätze, sondern auch faire Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. Eine 6. Urlaubswoche, eine ordentliche Arbeitszeitverkürzung und ein brutto Grundgehalt von mindestens 3 330€ (das entspricht ca. 2200€ netto) für diplomiertes Pflegepersonal und eine aliquote Erhöhung für andere Pflegeberufe ist notwendig. Außerdem muss die monatliche Arbeitszeit pro Feiertag im Monat auch aliquot verkürzt werden. Denn Menschen in der Pflege arbeiten insgesamt 13 Tage mehr im Jahr im Vergleich zu den meisten anderen Angestellten. Für manche mögen diese Maßnahmen drastisch klingen, doch das ist die einzige Möglichkeit um 76 000 Menschen davon zu überzeugen, in den nächsten 8 Jahren in die Pflege zu gehen.

Unsere Gesellschaft hat viel zu lange von der Gutmütigkeit von Pflegekräften gelebt und bekommt jetzt die Rechnung präsentiert. Denn wir können auch schon heute beobachten, dass Pflegebedürftige auf Grund des Personalmangels nicht nur unterversorgt werden, sondern auch wegen Flüchtigkeitsfehlern sterben.

Quellen:

Der Standard (2020) Sozialwirtschaft: Anschober hofft auf mehrjähriges Kombipaket. Abgerufen am 05.12.2021, von https://www.derstandard.at/story/2000114456989/ sozialwirtschaft-anschober-erhofft-sich-mehrjaehriges-kombipaket

Gferer, Alexandra & Gferer, Natali (2021). Gesundheits- und Krankenpfleger*innen während der Covid-19 Pandemie in Österreich. Arbeitssituation und Gedanken an einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf. Abgerufen am 05.12.2021 von http://www.fgv.at/files/pdf/Gferer___Gferer_GuK-C19-Studie_08.06.21.pdf

ORF OÖ (2021) Tödliche Überdosierung: Pflegerin angeklagt. Abgerufen am 05.12.2021 von https://ooe.orf.at/stories/3132944/?fbclid=IwAR2mGE4Egz_OvHrN8g4m0vFTCNBU6LLmZOwvj6tlnrFUh7TR1DKbHi5Thos

Rappold, E., Juraszovich, B. (2019): Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich. Wien: Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien.

STATISTIK AUSTRIA (2021): Bundespflegegeld. Abgerufen am 05.12.2021 von https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/sozialleistungen_auf_bundesebene/bundespflegegeld/index.html

Kommentiere den Artikel

Bitte gebe deinen Kommentar ein!
Bitte gebe hier deinen Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.