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Bevor die großen frauenpolitischen Meilensteine in Wien gesetzt werden konnten, gab es eine ganze Reihe von bundesweiten Protesten, Aktionen und Reformen. Die 1970er Jahre und die in diesem Zeitraum große Familienrechtsreform bedeuteten einen neuen Handlungsspielraum, der auch den Weg für die Bundesländer ebnete. Bis in die 1970er Jahre hinein galt in Österreich ein Familienrecht aus dem 19. Jahrhundert. Demnach ist es wenig verwunderlich, welche grundlegenden Auswirkungen die große Familienrechtsreform unter SPÖ-Justizminister Christian Broda vor allem auf das Leben der Frauen in Österreich hatte und dabei viele gesellschaftliche Debatten über Modernisierung und Gleichstellungsfragen entfachte. 1967 wurden beide Elternteile bei der Vormundschaft gleichgestellt. Davor galt der Vater rechtlich als Familienoberhaupt als der alleinige Vormund der gemeinsamen Kinder. 1970 wird die rechtliche Stellung unehelicher Kinder aufgewertet, die bis dahin ein Leben voller Benachteiligungen und ohne große rechtliche Ansprüche, vor allem dem Vater gegenüber, führten. Vor gut 46 Jahren, nämlich am 1. Juli 1975, wurden die je nach Geschlecht der Ehepartner unterschiedliche Differenzierungen der ehelichen Rechte und Pflichten aufgehoben und die einvernehmliche Lebensgestaltung trat in den Vordergrund. Somit konnten Frauen nun auch ohne Einverständnis ihres Ehepartners arbeiten gehen und ihr Leben auch abseits der Familie selbstbestimmt gestalten. 1977 wurden außerdem Mutter und Vater endgültig rechtlich gleichberechtigt und 1978 wurden die erbrechtliche Stellung der (Ehe)Frau deutlich verbessert.

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Darüber hinaus trat nach vielen Protesten und enormem politischen Gegenwind 1975 auch die Fristenlösung in Kraft. Der Schwangerschaftsabbruch war somit innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft nicht mehr strafbar. Wahrscheinlich auch als Reaktion auf diese neu gewonnenen Rechte wurde ein weiteres Problem immer dringlicher und verlangte akuten Handlungsbedarf: die häusliche Gewalt gegen Frauen. Deshalb wurde 1978 der Verein „Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder“ von Johanna Dohnal, Irmtraut Leirer (später Karlsson) und Christian Broda gegründet und noch im selben Jahr das erste Frauenhaus in Wien eröffnet. 1980 wurde aufgrund der großen Nachfrage bereits ein zweites Frauenhaus eröffnet.

1987 wurde von der Wiener Landesregierung das Ressort „Frauenfragen“ ins Leben gerufen, um Frauen auch auf politischer Ebene sichtbar zu machen. Im gleichen Jahr wurde Christine Schirmer die erste Frauenstadträtin Wiens. 

Im November 1991 verlor die SPÖ bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen die absolute Mehrheit. Die SPÖ stellte im 14-köpfigen Stadtsenat nurmehr acht statt neun amtsführende Stadträtinnen und die Frauenagenden gingen damit an Ingrid Smejkal, bis dahin Stadträtin für Bildung, Jungen, Familie und Soziales. Im Dezember desselben Jahres wurde im Wiener Gemeinderat die Gründung der Magistratsabteilung 57, heute besser bekannt als Frauenservice Wien, beschlossen. Die neue Abteilung soll sich zukünftig um alle frauenspezifischen Belange auf Stadtebene kümmern und nimmt ihre Arbeit mit 30. April 1992 auf. 

1993 gründete die damalige Wiener SPÖ-Frauensekretärin Renate Brauner den gemeinnützigen Verein ega: frauen im zentrum. Mit der Gründung eines Kulturzentrums, das die künstlerischen und kulturellen Anliegen von Frauen in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt, wurde auch ein klares frauenpolitisches Zeichen gesetzt. Das „ega“ existiert noch immer und ist zu einer Institution herangewachsen, die aus dem Wiener Kunst- und Kulturgeschehen nicht mehr wegzudenken ist. 

1996 übernahm Renate Brauner die Frauenagenden von Ingrid Smejkal und führte im Magistrat Wien die gendergerechte Sprache ein. Zudem nahm unter ihrer Anfangszeit der Wiener 24-Stunden-Frauennotruf seine Arbeit auf. Im ersten Jahr wurden fast 2.000 Anrufe gezählt. 1997 wurde Stadträtin Brauner außerdem zur Vorsitzenden der Wiener-SPÖ Frauen gewählt.

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Das Thema der gendergerechten Stadtentwicklung und -planung beschäftigt MA57 und Stadtregierung schon seit Mitte der 90er Jahre. Zentrale Überlegungen hierbei sind die Stadt frauenfreundlicher zu gestalten und das subjektive Sicherheitsgefühl der Wienerinnen im öffentlichen Raum zu stärken. Mit den 1998 bzw. 1999 initiierten Kampagnen „Sicher fühle ich mich wohl in Wien“ oder auch „Mehr Licht“ wurde ein großer Beteiligungsprozess gestartet, der sich am Ende beispielsweise in den Beleuchtungskonzepten in der Stadt niederschlug. 

Im Frühjahr 1999 wurde das erste „Wiener Frauenbarometer“, eine Umfrage bei der 2.300 Wiener*innen zu den Themen Berufstätigkeit, Eigenständigkeit und Vereinbarkeit befragt wurden, präsentiert. Weiters startete im März die Kampagne „Frauen sichtbar machen“, die die Frauen und ihre Arbeit in den vielen verschiedenen Bereichen Wiens ins allgemeine Bewusstsein rufen sollte. 

Zur Jahrtausendwende konnte dann mit der Einrichtung eines Klein-Projekte-Topfs eine unbürokratische Unterstützungsmöglichkeit für frauenspezifische Projekte geschaffen werden und im September 2000 ging die MA 57 mit einer neuen Website online. Der Höhepunkt des Jahres 2000 aus frauenpolitischer Sicht war jedoch mit Sicherheit die internationale Konferenz zum Thema Gender Mainstreaming, die vom 9. Bis 10. Oktober im Wiener Rathaus stattfand. 

Wie sich die progressive Familienpolitik in den darauffolgenden Jahren entwickelt hat, könnt ihr in der Fortsetzung lesen. 

Quelle: https://frauen.spoe.at/frauenpolitik-seit-1970/  

https://www.wien.gv.at/menschen/frauen/stichwort/politik/

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