Ungleichgewicht lässt sich auch in den Lösungsansätzen für Probleme in unserer Gesellschaft sehen; wenn der Staatshaushalt nicht passt, dann wird die Mindestsicherung gekürzt. Steuern darf es sowieso nur für die arbeitende Masse geben, während Besteuerung von Besitz als obszön abgelehnt wird. Arbeitnehmer:innen sollen schön brav im Namen der wirtschaftlichen Solidarität auf faire Löhne und Arbeitszeiten verzichten, um dem Standort nicht zu schaden.  Das Problem zieht sich durch die gesamte Themenlandschaft. Laut einer neuen Oxfam Studie sind zum Beispiel die reichsten 10% der Weltbevölkerung für 49% des weltweiten CO2 Ausstoßes verantwortlich. (Quelle) Das konnten wir in den letzten Monaten beispielhaft durch den Weltalltourismus einiger amerikanischer Milliardäre sehen. Da ist es nur schlüssig, dass „ganz normale Leute“ mal wieder die Zeche löhnen müssen.

Eigentlich sollten wir besonders Menschen unter die Arme greifen, die es sich nicht selbst richten können. Ein Erfolgskonzept dafür ist in Wien seit über 100 Jahren der soziale Wohnbau. Diese Wiener Tradition, die mit der Erfindung des Gemeindebaus begründet wurde, wird derzeit im Nordwesten der Stadt fortgeführt. Es soll leistbarer Wohnraum für 60.000 Menschen entstehen. Diese Wohnbauprojekte sind entweder direkt oder indirekt von den Auflagen der positiv abgeschlossenen Umweltverträglichkeitsprüfung für die Seestadt abhängig. Diese sieht eine Anbindung für das Gebiet vor. Diese Anbindung ist die momentan heiß diskutierte Stadtstraße Aspern und der Lobautunnel. Werden diese Infrastrukturmaßnahmen nicht umgesetzt, können also auch diese Projekte nicht umgesetzt werden. Wo leben diese Menschen dann, wenn nicht in der Seestadt? Wahrscheinlich im Wiener Umland. Da sie aber nach wie vor in der Stadt arbeiten würden, hätte das einen stark erhöhten Pendler:innenverkehr zur Folge. Laut Robert Lechner vom Ökologie-Institut würden nur 15.000 Wohnungen, die in Wien statt in Niederösterreich gebaut werden, die gesamten Mehremissionen der S1 wieder ausgleichen. Diese Zersiedelung würde außerdem zu einem deutlich stärkeren Bodenverbrauch führen, mit allen damit einhergehenden Problemen. Denn während in Wien im Durchschnitt 26m ² verbauter Grundfläche zu 62m² Wohnfläche pro Wohnung führt, handelt es sich in Niederösterreich um 109m² Grundfläche und 93m² Wohnfläche.

Verwertete Grundfläche für Wohnfläche pro Neubauwohnung

Die Vision der Stadt Wien für die Region sieht anderes vor: Klimaneutralität bis 2040 erreichen und trotzdem eine lebenswerte und leistbare Metropole für alle Bewohner:innen sein. Dieses Ziel soll durch ein gut durchdachtes Gesamtkonzept erreicht werden. Stadtstraße und Lobautunnel  sollen als das letzte noch fehlende Teilstück des Regionenringes um Wien den Transitverkehr an der Stadt vorbei lotsen und den betroffenen Anrainer:innen endlich den Stau von den Fenstern wegholen. Das wären täglich 77.000 Fahrzeuge, die nicht mehr durch das Wiener Stadtgebiet fahren. Der Lobautunnel ist dabei so geplant, dass er weit außerhalb des Nationalparks beginnt und endet. Er verläuft 60 Meter in der Tiefe und befindet sich damit unter dem Grundwasserstrom, sodass Fauna und Flora komplett unberührt bleiben. Gleichzeitig wurde und wird der öffentliche Verkehr massiv ausgebaut und der Ausbau des Radwegenetzes vorangetrieben. Außerdem werden Straßen in Wohngebiete zurückgebaut.

(c) MA 18 Fürthner

Worum geht es also beim Bau von Stadtstraße Aspern und Lobautunnel? Es geht um Gerechtigkeit. Es geht darum, dass wir endlich anfangen müssen, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die den meisten Schaden verursachen. Geförderten Wohnbau für 60.000 Menschen zu riskieren kann nicht die Antwort sein. Erst recht nicht, so lange wir in einer Welt leben, in der Milliardäre zu ihrem Privatvergnügen ins Weltall fliegen. Wo ist da die Gerechtigkeit?

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