Fast alle Textilprodukte in Österreich sind importiert. Ein großer Teil kommt aus China oder Bangladesch. Dass in Bangladesch neben schlechter Bezahlung auch lebensgefährliche Arbeitsbedingungen herrschen, hat die Welt 2013 erkannt, als das Rana Plaza – ein achtstöckiges Fabriksgebäude – einstürzte.  Mehr als 1100 Textilarbeiter:innen verloren ihr Leben. Europäische Konzerne wie Esprit, Primark, Puma oder H&M lassen trotzdem dort ihre Kleidung produzieren. Für sie ist es billig und sie können die Verantwortung von sich schieben. Doch nun kommt auf europäischer Ebene Schwung in die Debatte und Konzerne werden in die Pflicht genommen.

Die Arbeiter:innen am Anfang der Lieferkette

Im April 2013 starben tausende Arbeiter:innen als die Rana Plaza Fabrik in Bangladesch einstürzte. Im September 2012 kamen 260 Menschen in einer pakistanischen Textilfabrik ums Leben, da Fenster vergittert und Notausgänge teilweise verschlossen, sowie leichtentzündliche Textilien unsachgemäß gelagert worden waren.

Dass solche Missstände keine Einzelfälle sind, zeigen die Statistiken der IAO (Internationale Arbeitsorganisation) Demnach arbeiten nicht nur unzählige Menschen unter teils lebensbedrohlichen Bedingungen, darunter über 100 Millionen Kinder, sondern sie werden dazu oftmals durch Gewalt, Erpressung und andere menschenunwürdige Mittel gezwungen.  

Menschenrechtsverletzungen (oder auch Umweltverschmutzungen) entstehen dabei meistens am Anfang von Lieferketten. Doch was hat das alles mit Europa zu tun? Welche Rolle kommt europäischen Unternehmen in der Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards zu? Sind die Staaten vor Ort oder doch die Konzerne am Ende der Lieferkette für die Einhaltung der Menschenrechte zuständig?

Die Suche nach den Verantwortungsträger:innen

Grundsätzlich sind Staaten dafür verantwortlich die 1948 beschlossenen Menschenrechte in nationale Gesetze zu übernehmen und durchzusetzen. Staaten fällt es aber immer schwerer diese Gesetze umzusetzen.

Gleichzeitig fand bereits 2013 rund 80% des globalen Handels innerhalb der Produktionskette von Transnationalen Konzernen statt (UNCTAD 2013). Einer von fünf Jobs auf dieser Welt befand sich schon damals innerhalb dieser globalen Lieferketten (IAO 2015).

Auch die Arbeiter:innen des Rana Plazas befanden sich innerhalb der Lieferkette vieler amerikanischer und europäischer Unternehmen. So wurden etwa Textilien für Abercrombie & Fitch, Charles Vögele, Esprit, Primark, Puma oder Hennes & Mauritz (H&M) vor Ort produziert. (Jacobs/Singhal 2017)

Doch obwohl das Unglück in Bangladesch Aufmerksamkeit erregte und verschiedene Initiativen, wie z.B. das Bündnis für nachhaltige Textilien, gegründet wurden, haben sich positive Entwicklungen in der Textilbranche nicht global durchgesetzt. Lokal gesetzte Arbeits- und Sozialstandards führten stattdessen zu Firmenabwanderungen in andere Billiglohnländer.

© Chaay_tee

Menschenrechte brauchen (verpflichtende) Gesetze

Bereits seit den 1970er Jahren gibt es immer wieder Versuche auch Unternehmen in die Pflicht zu nehmen und internationale Regelwerke aufzustellen. Unternehmen sollen sich demnach entlang ihrer gesamten Lieferkette an Menschenrechte halten.

Die bestehenden Regelwerke basieren jedoch auf freiwilligen Maßnahmen und sind laut zahlreichen Berichten von NGOs und einer im Februar 2020 veröffentlichten Studie der Europäischen Kommission zahnlos. Allein 37 % der befragten Unternehmen geben an sich mit den Menschenrechten entlang ihrer Lieferkette zu befassen.

Aufgrund des anhaltenden Drucks der Zivilgesellschaft hat der EU-Justizkommissar Didier Reynders daher angekündigt bis Juni 2021 ein europäisches Gesetz mit weiteren Regeln für die Kontrolle von Lieferketten auszuarbeiten. Im März 2021 verabschiedete dann das Europäische Parlament eine Resolution und forderte die Kommission ebenfalls auf die Unternehmen endlich in die Pflicht zu nehmen.

Damit solch ein Gesetz effektiv gegen Verstöße von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards vorgehen kann, muss es folgende Punkte enthalten:

  • Alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, sind für ihre gesamte Lieferkette verantwortlich.
  • Alle Menschenrechte, sowie die ILO-Kernarbeitsnormen und aktuelle Umweltstandards müssen eingehalten werden.
  • Die definierten Pflichten müssen so klar wie möglich formuliert werden – je klarer die Pflichten, desto leichter ist es diese auch einzuhalten.
  • Strafen bzw. Sanktionen müssen klar geregelt sein. Für die Durchsetzung braucht es eine unabhängige, weisungsfreie Behörde, um Unternehmen zu kontrollieren.
  • Es braucht eine zivilrechtliche Haftung, damit Betroffene Zugang zu Rechtsmitteln erhalten und entschädigt werden.

Bleibt es bei den angekündigten Ambitionen, könnte das europäische Gesetz fairere Löhne, sicherere Arbeitsbedingungen und eine bessere Lebensgrundlage für Arbeiter:innen entlang globaler Lieferketten schaffen. Bis dahin ist es allerdings noch ein weites Stück.

Um den Druck auf die Entscheidungsträger:innen zu erhöhen, haben verschiedene NGOs, der ÖGB und die AK die zivilgesellschaftliche Kampagne “Menschenrechte brauchen Gesetze!” gestartet. Mehr Infos findet man unter: https://www.nesove.at/menschenrechte-brauchen-gesetze/

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