Corona-Kosten – Warum Europas Reiche zahlen müssen.

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Text auf Glas:'Pay your Tax now here!'
(c) Lee Russell / unsplash.com

Corona kommt Staat und Gesellschaft teuer, Arbeitslosigkeit und Armut steigen. Wollen wir die Lehren aus der Vergangenheit ziehen, müssen die Krisengewinner:innen zahlen. 

„Wer zahlt für Corona?“ Kaum eine Frage wird die Politik in den nächsten Jahren so bestimmen wie jene, wer unterm Strich für all die Rettungspakete, Subventionen, Steuerstundungen, Sozialausgaben, etc. aufkommen muss. Dabei gilt es, die Lehren aus der Bankenkrise 2008 zu beherzigen und die Fehler zu vermeiden, die in der Krisenbewältigung gemacht wurden. Damals mussten die Nationalstaaten das internationale Finanzsystem vor der Kernschmelze bewahren und gaben dafür eine Menge Geld aus. Die dadurch gestiegenen Staatsschulden wurden wiederum vielfach durch Staatsanleihen finanziert, deren Zinsen jedoch für einige Länder wie Griechenland und Portugal drastisch stiegen: Die Finanzmärkte hatten plötzlich kaum mehr Vertrauen darin, dass just ihre Retter:innen diese Anleihen auch wirklich zurückzahlen können würden. 

Die Bankenkrise 2008 als Warnung 

So wurde aus der Bankenkrise quasi über Nacht die „Staatsschuldenkrise“, oder auch „Eurokrise“. All die „Expert:innen“ aus Wirtschaftswissenschaften, dem Finanzsektor und der Politik, die vor der Krise kläglich versagt hatten, indem sie dem Zusammenbruch des internationalen Bankensektors zuerst die Grundlage bereiteten und dann niemals kommen sahen, wagten sich aus der Versenkung hervor und trommelten eifrig für umfassende nationale Sparprogramme, für Privatisierungen, für Schuldenobergrenzen und weitere wirtschaftliche Deregulierung. Vermögenssteuern, oder eine Besteuerung der internationalen Finanzmärkte (etwa über Finanztransaktionssteuern), waren für die zumeist konservativen Staats- und Regierungschef:innen der Eurozone sowieso kein Thema.

Statistik zu Steuereinnahmen Österreichs in Mrd. Euro.
2019: 110,37
2020: 100,69

Das Ergebnis war infolgedessen katastrophal. Die sogenannte „Troika“ aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zwang das EU-Mitglied Griechenland zu drakonischen Sparmaßnahmen, Privatisierungen und Einschnitten im Arbeitsrecht im Gegenzug für Hilfszahlungen.  Als Ergebnis flossen diese „Rettungsgelder“ wieder direkt an Griechenlands Gläubiger zurück, zumeist deutsche und französische Banken. Zeitgleich vervierfachte sich die Arbeitslosigkeit offiziell binnen zwei Jahren auf beinahe 30%. Die reale Arbeitslosigkeit (also abseits der offiziellen Statistiken) lag dabei weit höher und Jugendliche fanden so gut wie überhaupt keine Arbeit mehr. Der Gebrauch von Psychopharmaka aller Art stieg gewaltig an, ebenso die Selbstmordrate.1 

Dass Griechenland zu keiner Zeit seine Schulden substanziell reduzieren konnte und auch vor Corona weit über dem Stand von 2008 lag, zeigt, wie schädlich und verfehlt Austeritätspolitik zur Budgetsanierung ist.2 

Corona ist teuer

Statistik zu Staatsverschuldung der Österreicher in % des  BIP.
2019: 70,5%
2020: 83,9%

Die Corona-Krise und ihre Folgen kommen Europas Regierungen richtig teuer. Allein Österreich gab vergangenes Jahr 24,4 Milliarden Euro zusätzlich aus, womit etwa Subventionen und höhere Sozialausgaben bezahlt wurden. Zudem sanken die Steuereinnahmen mit 11,3 Milliarden Euro deutlich. Das führte zu einem Budgetdefizit von 8,9% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und die Staatsverschuldung stieg Ende 2020 auf 83,9% des BIP (2019: 70,5% des BIP).3 

Alle anderen Staaten in der EU verzeichnen in dieser Zeit ebenfalls teils drastische Zuwächse bei ihrer Staatsverschuldung: Griechenland (205% des BIP), Italien (159% des BIP) und Portugal (127% des BIP) liegen hier ganz vorne.4 

„Koste es, was es wolle“ war die Parole, die die Bundesregierung zum ersten Lockdown Anfang 2020 ausgab. Großzügig wurde Geld in die Hand genommen, um Wirtschaft und Bevölkerung vor dem Totalabsturz zu bewahren. Die Effektivität dieser Maßnahmen kann heute jedoch in Frage gestellt werden. Es ist jedenfalls abzusehen, dass die ÖVP (ebenso NEOS und FPÖ) sich keineswegs dauerhaft von ihren neoliberalen Überzeugungen verabschiedet hat und damit zu rechnen ist, dass sie die Budgetsanierung über Einschnitte bei Sozialausgaben und Steuersenkungen für „die Wirtschaft“ anstreben wird. Wie oben im Falle Griechenlands dargelegt, ist ein solches Programm jedoch wie ein Klotz am Bein einer wirtschaftlichen Erholung und führt zwangsläufig zu mehr Armut, Arbeitslosigkeit und einer Konzentration von Wohlstand bei den Reichsten der Gesellschaft. 

Die Krise kennt auch Gewinner:innen 

Eine Gruppe, die keineswegs unter Corona gelitten hat, ist jene der Reichen und Konzerne. Wie die internationale Nichtregierungsorganisation OXFAM in ihrem Bericht „The Inequality Virus“ feststellte5, konnten die eintausend reichsten Milliardär:innen der Welt ihre Corona-Verluste binnen 9 Monaten ausgleichen. Seither wächst ihr Vermögen wieder stetig. Auch globale Konzerne wie Amazon verdoppelten ihren Börsenwert im selben Zeitraum beinahe und schreiben Rekordgewinne. Dies war unter anderem deswegen möglich, da es nach 40 Jahren Neoliberalismus in den meisten EU-Ländern mittlerweile keine Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern mehr gibt und die Körperschaftssteuern in einem „race to the bottom“ über die Jahrzehnte immer weiter sanken. Die Finanzierung des Sozialstaats wurde dementsprechend weniger durch Steuern auf Kapital und mehr über Einkommenssteuern aufgebracht. 

Statistik der Profiteur:innen der Corona-Pandemie

Die Folge: Heute besitzen beispielweise die reichsten fünf Prozent der Österreicher:innen mehr als 55%6 des gesellschaftlichen Gesamtvermögens (ca. 700 Mrd. Euro7). Dieses Geld wird kaum jemals erarbeitet, sondern hauptsächlich steuerfreu geerbt und in weiterer Folge steuerbegünstigt auf den Kapitalmärkten vermehrt. 

Corona-Lastenausgleich to the rescue 

Die Reichsten hätten also genug Geld, um einen deutlichen Beitrag zur Krisenfinanzierung und zum nachhaltigen Wiederaufbau und Umbau der Wirtschaft zu leisten. Ein mögliches Modell hierzu ist ein Corona-Lastenausgleich als einmalige Vermögensabgabe der Superreichsten. Nach dem Vorbild des westdeutschen Lastenausgleichs in der Nachkriegszeit fordert etwa die NGO ATTAC eine solche Maßnahme für Österreich. Dabei sollen die reichsten Österreicher:innen (die mehr als fünf Mio. Euro Nettovermögen haben) einmalig bis zu 60 Prozent ihres Gesamtvermögens abgeben.8 

Neben dem Ziel, die Krisenkosten zu bezahlen und den Wirtschaftsaufschwung zu finanzieren, sprechen auch allgemeine demokratiepolitische Motive für eine solche Abgabe. Extremer Reichtum führt zu einem ungebührlichen Einfluss weniger Individuen auf die Politik. Sei es, indem an hörige Parteien gespendet, bedeutende Privatmedien gekauft und „auf Linie“ gebracht oder schlicht wirtschaftliche Drohkulissen aufgebaut werden. Sobald jemand so reich ist, dass er:sie sich einen eigenen Fernsehsender, eine Tageszeitung leisten, oder mit einem Federstrich hunderte bis tausende Menschen entlassen kann, ist in Wirklichkeit die Grenze des für Demokratien Erträglichen bereits überschritten. Schwerreiche Menschen und ihre Konzerne verfolgen in den seltensten Fällen eine solidarische Agenda für Sozialstaat und Nächstenliebe, sondern stehen ideologisch meist an der Seite des Neoliberalismus, der ihren extremen Reichtum ja erst ermöglichte. Die schier unbegrenzten finanziellen Mittel, die diese kleine Oberschicht besitzt, geben ihr die Möglichkeit, einer menschenfeindlichen Ideologie wesentlich mehr Gehör zu verschaffen als ihr in einem wahrhaft demokratischen Diskurs mit „Waffengleichheit“ der Bürger:innen zukäme. 

Es ist also nicht nur wirtschaftspolitisch vernünftig, statt Sparmaßnahmen für alle neue Steuern für ganz wenige einzuführen. Es ist auch aus Gründen der Vernunft und der Gerechtigkeit notwendig. Wenn wir unsere Demokratie bewahren und ausbauen wollen, muss extremer Reichtum abgeschafft und mittels Reichensteuern – wie einer Vermögenssteuer, einer Erbschaftssteuer und einer höheren Kapitalertragssteuer – in Zukunft verhindert werden.

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