„Was wir derzeit erleben ist der Hirntod der NATO“ kommentierte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron im Economist 2019 – Pünktlich zum 70. Geburtstag des Bündnisses.

Diese Aussage zeigt den desolaten Zustand des größten Militärbündnisses der Geschichte. Ein Zustand, der in den letzten Jahren immer offenkundiger wurde.

Was und Warum ist die NATO?

1949 wurde die NATO gegründet, um das in Artikel 51 der UN-Charta begründetet Recht auf kollektive Selbstverteidigung der Mitgliedsstaaten zu organisieren. Ihre inzwischen 30 Mitglieder führen aber mittlerweile gemeinsame militärische Operationen durch, die nicht unbedingt nur noch der Selbstverteidigung dienen.

Seit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes (militärischer Beistandspakt der Ostblock Staaten) scheint der NATO der natürliche Gegner abhandengekommen zu sein. Mit der Osterweiterung der NATO wurden sogar ehemalige Mitglieder des Ostblocks in die NATO aufgenommen.

Putin und Trump
© Jørgen Håland

Die NATO, Europa und Russland – Eine lieblose Dreiecksbeziehung

Seit dem Zerfall des Warschauer Paktes und der Auflösung der Sowjetunion hat sich die NATO, eventuell entgegen einem Versprechen an den damaligen sowjetischen Staatschef Gorbatschow, immer weiter nach Osten ausgedehnt. Hat man zunächst noch versucht die Russ:innen einzubinden, (NATO-Russland-RatSFORKFOR) wurden die Differenzen relativ schnell offensichtlich.

In vielen Konflikten sehen sich die NATO und Russland auf unterschiedlichen Seiten (wie z.B. in der Ukraine seit 2014). Einige NATO-Staaten (vor allem im Baltikum) hingegen sehen die NATO als ihr Schutzschild gegen den russischen Einfluss. Die Frage, die sich hier nun ergibt, ist diejenige, ob sie das tatsächlich ist? Der ehemalige US-Präsident Trump bezeichnete die NATO wiederholt als obsolet und kritisierte das, aus amerikanischer Sicht, zu geringe Engagement der europäischen Partner:innen. Schon während des Kalten Krieges gab es in Europa oftmals Zweifel an einem tatsächlichen Einschreiten der Amerikaner:innen bei Grenzüberschreitung des Eisernen Vorhanges seitens der Roten Armee.

Wenn dann ein NATO-Mitglied, wie beispielsweise die Türkei, sein Luftabwehrsystem lieber beim Erbfeind Russland kauft (S-400) und somit auch eine gewisse Abhängigkeit der NATO-Ostflanke gegenüber Russland erzeugt, verschärft dieses Handlen die Situation nur noch zusätzlich – nun ist man anfälliger gegen russische Interventionen.

Die NATO ist tot! Es lebe Europa!

21 Mitgliedstaaten der EU sind NATO-Mitglieder. Dies führt unweigerlich zu einem Interessenkonflikt, da die NATO zum Beispiel nicht an die europäische Menschenrechtscharta gebunden ist. Zudem wird die NATO defacto von den USA geführt, diese sind wiederrum nicht an eine europäische Menschenrechtskonvention gebunden.

Betrachtet man in Summe die genannten Fakten, so wird es mehr als deutlich, dass es zur Organisation der Kollektiven Selbstverteidigung einer besseren, unabhängigeren Instanz als dem Bündnis „NATO“ bedarf. Ein europäisches Verteidigungsbündnis wäre hierfür eine Lösung mit vielen Vorteilen.

Nato Mitgliedsländer

Europa vereinen und verteidigen!

Ein europäisches Verteidigungsbündnis könnte viele nationale Probleme der Mitgliedstaaten lösen und gleichzeitig ein Zusammenrücken innerhalb der EU bewirken.

Durch die geographische Nähe ist die Sicherheit der jeweiligen Partner:innen immer im unmittelbaren Interesse für alle anderen. Ein russischer Einmarsch im Baltikum ist für Frankreich oder Deutschland relevanter, als für die USA oder Kanada.

Das Europäische Parlament in Straßburg

Weiters könnten sich die nationalen Streitkräfte der einzelnen Mitgliedsstaaten mehr spezialisieren. Die verschiedenen Aufgaben der Verteidigung könnten demnach auf die Mitglieder aufgeteilt werden um somit eine Reduktion der Militärausgaben zu ermöglichen. Zum anderen könnte dadurch eine Art „positive interne Abhängigkeit“ geschaffen werden, welche eine verstärkte Zusammenarbeit in den Vordergrund rückt.

Ein weiterer Vorteil wäre ein rein technischer. Man könnte europäische Standards bezüglich militärischer Ausrüstung und Geräten schaffen. Auch hier liegt großes finanzielles Einsparungspotenzial gepaart mit nutzbaren Synergien.

Abschließend kann man noch den Punkt der Obsoleszenz von Frontex ins Feld führen. Die oftmals problematisch aufgefallene Agentur könnte ersatzlos gestrichen und ihre Aufgaben im Bündnis verteilt werden. So läge die Sicherung der europäischen Außengrenzen wieder in der Hand von echten Armeen und nicht in quasi privaten Dienstleistern.

Sicherheit braucht Kontrolle!

Natürlich muss ein solches europäisches Bündnis kontrolliert und organisiert sein. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel eine Institution ähnlich dem UN-Sicherheitsrat, mit Vertretern aller 27 EU-Mitgliedern.

Diese könnten über die Aktionen des Bündnisses beraten und abstimmen. Natürlich müssten einige Aufgaben wie Grenzverteidigung, Luftraumüberwachung und -vereidigung auf jeden Fall durchgeführt werden, unabhängig von der jeweiligen politischen Lage im Verteidigungsrat.

Ein europäisches Verteidigungsbündnis kann ein Weg in eine friedlichere Zukunft sein und den Zusammenhalt zwischen den europäischen Staaten stärken. Wir sollten diese Chance nicht ungenutzt lassen.

https://www.dw.com/de/russland-und-t%C3%BCrkei-halten-an-milit%C3%A4rzusammenarbeit-fest/a-56086511

https://www.nato.int/cps/en/natohq/official_texts_17120.htm?selectedLocale=de

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