Ein Gespräch mit der multidisziplinären Künstlerin Xenia Lesniewski über Kunst, die Inszenierung von Realität und über die kunst-soziologische Bedeutung von Autos im öffentlichen Raum.  

Politikon: Du interessierst dich für die Thematik des öffentlichen Raums und warst in der letzten Staffel von „Bauer sucht Frau“ zu sehen. Wie kam es dazu?  

Xenia Lesniewski: Ich setze mich viel mit aktuellen Formaten und Räumen auseinander, die wir mit Kunst erstmal nicht in Verbindung bringen. Reality-TV vermittelt eine Art Echtheit, einen intimen Rahmen und wird im häuslichen Umfeld der ZuseherInnen – in deren Wohnzimmern – ausgestrahlt. Die Szenen sind meistens konstruiert und das Material nachträglich durch den Schnitt bearbeitet – dennoch wird das Ganze als halbwegs authentische Darstellung unseres Alltags dargestellt. Dieser Schnittpunkt von Leben und Kunst interessiert mich. Ich habe mich damals ganz konform bei „Bauer sucht Frau“ beworben – mit Brief und Fotos – und ging offen damit um, dass ich Künstlerin bin. Der Bauer, für den ich mich beworben habe, schien recht lustig zu sein und ich hatte das Gefühl, ihm auf Augenhöhe begegnen zu können.

Portraitfoto von Xenia Lesniewsk
© Xenia Lesniewsk

Politikon: Wieviel Reality konntest du im Reality-TV finden?  

Xenia Lesniewski: Ich denke, dass sowohl der Bauer als auch ich das Format zu einem gewissen Grad als Bühne gesehen haben. Es hat mich gereizt, Menschen – also die Zuseher:innen – zu erreichen, die normalerweise vielleicht nicht unbedingt zu Vernissagen oder Ausstellungen gehen. Auch der Aspekt, sich in einer von außen konstruierten Situation zu bewegen und dabei seine Rechte bezüglich des Bildmaterials abzugeben, war konzeptuell ein spannender für mich: Material, auf welchem man selber zu sehen ist, aufgrund von Copyright-Rechten im Nachhinein nicht nutzen zu dürfen…  

Politikon: Du hast ein Kollektiv namens „Club Fortuna“. Wofür steht dieses?  

Xenia Lesniewski: Club Fortuna entstand während meinem Malerei-Studium. Schon damals spürte ich, dass mich der performative Aspekt von Kunst sowie das kollektive Arbeiten interessierte. Ich hinterfragte die Funktionsweise von Kunst und suchte nach Ausdrucksformen, die direkter, relevanter und aktueller waren als die klassische Malerei. In meinem Studium fand ich dann Mitstreiterinnen und wir arbeiten seit 2014 in verschiedener Besetzung zusammen.  

Politikon: Woran arbeitet ihr aktuell?  

Xenia Lesniewski: Wir arbeiten gerade an unserem Beitrag für das Hochsommer Art Festival, welches Anfang August im Burgenland stattfindet. Ausgehend von der aktuellen Situation werden wir im Skulpturengarten der Landart Eisenberg einen Ort zur Wiederbelebung der Körpersäfte schaffen und unter Einbeziehung der Besucher:innen ganzjährig bespielen. 

Politikon: Online präsentierst du dich oft auf Autos. Was hat es damit auf sich?  

Xenia Lesniewski: Die Fotoserie mit den Autos begann 2015. Es geht in der Arbeit um die bildliche Aneignung eines privaten Guts, das unseren öffentlichen urbanen Raum maßgeblich prägt. Die Ordnung der Straße und die Aufteilung des öffentlichen Raums verkörpern für mich gesellschaftliche Kräfte, ökonomische Verhältnisse und Machtkonstellationen, zu denen ich mich ganz direkt verhalte. Das Auto ist stabil und hart – mein Körper hingegen ist weich. Dennoch werde ich durch diese Fotos quasi als Gefahr für das jeweilige Auto wahrgenommen; werde wahrgenommen als jemand, der deviant handelt, Prekäres tut. Das trägt, finde ich, einen starken Widerspruch in sich, denn wir Menschen müssen uns in einem vorwiegend Auto-orientierten Straßenraum permanent unterordnen und sind Lärm, Reifenabrieb und Abgasen ausgeliefert. Es gibt hier also eindeutig ein Missverhältnis. Ebenso wichtig ist mir bei dieser Serie aber auch die Hinterfragung der zeitgenössischen Künstler:innenrolle.  

Xenia Lesniewski: Salvador Mundi
© Xenia Lesniewski: Salvador Mundi, Aquarell auf Papier 30cm x 21cm, Foto: Simon Veres 2020 

Politikon: Wie würdest du das Jahr 2020 mit einem Wort beschreiben?  

Xenia Lesniewski: Als „interessant“. (lacht) Auch wenn das Jahr total herausfordernd war, finde ich es interessant, zu beobachten, wie in kürzester Zeit Dinge unmöglich werden, die sonst ganz normal waren… und wie sich die Menschen dann verhalten… was man so denkt – wenn man zum Beispiel eine Clubszene im Fernsehen sieht und Angst bekommt, weil plötzlich alle zu potenziellen Superspreadern werden. Natürlich ist mir bewusst, dass viele unter der Situation zu leiden hatten und haben. Wenn ich also „interessant“ sage, meine ich das aus der künstlerischen Perspektive heraus. Es ist eine außergewöhnliche Erfahrung, die wir alle gemeinsam machen. Etwas, das vorher so für mich nicht Teil meines Alltags war.  

Links: 

https://www.xenia-lesniewski.com

http://hochsommer.art/hochsommer2021/  

Xenia Lesniewski ist multidisziplinäre Künstlerin. Sie ist Teil des Künstlerinnenkollektivs Club Fortuna und Gründerin des AINEX Kunstverein. Ihre Arbeiten wurden unter anderen bei der Berlinale, dem Dortmunder Kunstverein und im Wiener Museumsquartier präsentiert. 

  

Hanna Randall hat Musiksoziologie und Volksschullehramt in Wien studiert. Nebenbei singt sie und erforscht die vielfältige Musik- und Kulturszene Wiens.

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