Demokratie in Gefahr? Radikalisierung während der Pandemie!

Die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Wien stellen den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung dar, die bereits vor Beginn der Pandemie zu beobachten war. Ein mittlerweile unübersehbarer Teil der Bevölkerung hat in den vergangenen Monaten seine Ablehnung gegenüber den staatlichen Maßnahmen auf die Straßen und Plätze Wiens getragen. Sie nennen sich Querdenker:innen und wollen als eine Protestbewegung wahrgenommen werden. Unter dem Einfluss von Verschwörungsideolog:innen, Rechtsextremen und Esoteriker:innen radikalisieren sie sich und verbreiten Verschwörungstheorien, Antisemitismus und Umsturzfantasien. 

Radikalisierung im Netz 

Ähnlich wie bei QAnon (US-amerikanische rechtsextreme Gruppierung, die an der Stürmung des Kapitols in Washington beteiligt war) erfolgt die Radikalisierung anfangs vor allem über Soziale Netzwerke. Über Jahre hinweg gebildete Netzwerke aus Chatgruppen und ‘‘alternativen‘‘ News- und Videoplattformen werden zur Verbreitung von Falschinformationen rund um das Virus und die staatlichen Gegenmaßnahmen verwendet. Auffallend sind vor allem der starke Einfluss von Verschwörungstheorien und der ausgeprägte Rechtsextremismus. Zu den bekannteren Verschwörungstheorien der Querdenkerszene gehört unter anderem die Behauptung, der US- Milliardär Bill Gates habe das Coronavirus in einem Labor gezüchtet. Es wird behauptet, der Microsoft Gründer würde die Pandemie nutzen, um Menschen durch die Impfung Mikrochips zur Überwachung und Gedankensteuerung einzupflanzen. Besonders gefeiert werden Ärzt:innen, die den wissenschaftlichen Konsens als Verschwörung darstellen. Auch spekulative und antisemitische Inhalte finden sich vermehrt in diesen Netzwerken.  
 

Rechte Parteien und Organisationen nutzen die Krise aus 

AfD, FPÖ, Trump und NPD – sie alle haben eines gemeinsam. Alle befeuern die Corona-Skepsis und nutzen die Krise für ihren eigenen politischen Vorteil.  
Querdenker:innen kommen ursprünglich aus unterschiedlichen politischen Lagern. Durch Social Media Algorithmen landen sie allerdings schnell in einer „Echochamber“ (Filterblase) aus der sie nur schwer wieder herauskommen. Die Radikalisierung beginnt als Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Durch rechtsextreme Einflüsse entwickelt sich die ursprüngliche Skepsis gegen staatliche Pandemiemaßnahmen dadurch schnell zu einer demokratiefeindlichen und sicherheitsgefährdenden Haltung. Corona-Skeptiker:innen wird vermittelt, sie hätten „die Wahrheit“ erkannt und eine große Verschwörung durchschaut. Wer anderer Meinung ist, pflegt aus ihrer Sicht entweder blinden Gehorsam oder ist Teil der Verschwörung. Dieser Konflikt findet nicht nur im Internet statt, sondern weitet sich auf die Gesellschaft aus.

Hass und Gewalt: Vom Internet auf die Straße  

In Social Media und Telegram-Gruppen wird für die Teilnahme an lokalen und regionalen Demonstrationen geworben. Es wird versucht eine möglichst große ‘‘Volksbewegung“ zu mobilisieren. Im Laufe der Pandemie kam es in vielen europäischen Ländern zu Corona-Demonstrationen. Gemeinsam demonstrierten sie gegen die Regierung, die Tests, die Impfung, Corona-Maßnahmen und die „Lügenpresse“. In Schweden löste die Polizei zahlreich auf. In Amsterdam und in Deutschland setzten die Polizeikräfte Wasserwerfer ein. In der Stadt Kassel, wo 20.000 Menschen demonstrierten, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant:innen und der Polizei. 
Auch bei Demonstrationen in Österreich kam es zu Angriffen auf Gegendemonstrant:innen und Journalist:innen. Trotz Verboten wurden mehrere Corona-Demonstrationen in Wien abgehalten. Die Teilnehmer:innen reisten teils aus unterschiedlichen Bundesländern und aus Deutschland an. Unter ihnen waren unter anderem der Chef der österreichischen Identitären Martin Sellner, der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der mehrfach wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte Gottfried Küssel. Sieg-Heil-Rufe, antisemitische Beschimpfungen und Pöbeleien waren an diesen Tagen an verschiedenen Plätzen zu hören. Neben amtsbekannten Rechtsextremen mischten sich auch Esoteriker:innen, Verschwörungsgläubige und Impfgegner:innen unter die Menge. Die rechtsextreme Szene übernahm eine entscheidende Rolle bei der Organisierung der Proteste. 
 

Gefahr für die Demokratie 
 
Wie weit diese rechtsextremen Gruppen gehen, konnten wir am 6.Jänner 2021 sehen: Anhänger:innen von Donald Trump  stürmten mit Schusswaffen und Sprengstoff das Kapitol in Washington D.C. und versuchten die Sitzung des US-Kongresses zur Bestätigung des Präsidentschaftswahlergebnisses zu unterbrechen. Ihr Ziel war Trump mit Gewalt, im Amt zu halten und den Antritt des gewählten Präsidenten Joe Biden zu verhindern. Die gewählten Repräsentant:innen der USA mussten sich währenddessen in Kongressräumen verschanzen und fürchteten um ihr Leben. Vier Menschen starben und zahlreiche andere, darunter 14 Polizisten, wurden verletzt. 
 

Diese Episode führt uns vor Augen, wie schnell demokratische Prozesse hinterfragt und angegriffen werden können. Wir müssen stets wachsam sein und uns entschieden gegen Rechtsextremismus wehren. Egal ob online, auf der Straße, am Arbeitsplatz oder in der Wahlkabine.

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