Schaffen wir Zugehörigkeit dort, wo sie gar nicht erst in Frage gestellt werden sollte und machen wir für alle Kinder unseres Landes Integration besser möglich.

Auf einer Liste von Dingen, die Menschen wichtig sind, ist das Gefühl dazu zu gehören, sicherlich ganz weit oben anzusiedeln. Dieses Gefühl suchen Kinder, die zwar in unserem Land geboren sind, deren Eltern jedoch keine österreichische Staatsbürger:innenschaft haben, vergeblich. Vor allem, wenn es dabei um die Staatszugehörigkeit geht.
Das Abstammungsprinzip „ius sanguinis“, an welchem unsere Republik seit nahezu 50 Jahren festhält, besagt, dass der Staat seine Staatsbürger:innenschaft an jene Kinder verleiht, deren Eltern selbst Staatsbürger:innen dieses Staates sind. Für in Österreich geborene und weiterhin hier lebende Kinder mit ausländischen Eltern ist es daher nicht möglich, schon mit der Geburt die österreichische Staatsbürger:innenschaft zu erhalten. Fünfzig Jahre „ius sanguinis“ – ein altmodischer Beigeschmack eines doch so modernen EU-Mitgliedsstaates.
Blickt man nun ein wenig über den Tellerrand, zeigt sich, dass das Geburtsortsgesetz namens „ius soli“ sehr wohl möglich ist. Belgien und Deutschland sind nur zwei von vielen EU-Mitgliedsstaaten, in denen das „ius soli“ erfolgreich praktiziert wird. Dieses Geburtsortsgesetz besagt, dass ein Staat allen Kindern, die auf seinem Staatsgebiet geboren werden, seine Staatsbürger:innenschaft verleiht. In sieben EU-Staaten (u. a. Frankreich, Niederlande) gilt sogar das „doppelte ius soli“. Diese Länder verleihen Kindern die Staatsbürger:innenschaft, wenn zumindest ein Elternteil in diesem Land geboren wurde. Die Kriterien, die oftmals darüber hinaus erfüllt werden müssen, sind unterschiedlich gestaltet. So muss beispielsweise in Deutschland zumindest ein Elternteil ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen und seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Obwohl es also Abweichungen in der Ausgestaltung des Geburtsortsprinzips gibt, zeigt die Entscheidung eines Landes für das „ius soli“ eines ganz deutlich: alle Kinder, die in diesem Land geboren sind, sollen unabhängig von der Staatszugehörigkeit der Eltern die gleichen Rechte genießen.

Österreich hinkt in Sachen Staatsbürger:innenschaft hinter her.

2012 wurden über 13.000 Kinder in Österreich geboren, deren Eltern zu diesem Zeitpunkt keine Österreicher:innen waren. Das sind 16,5 Prozent aller Geburten. Für einen Großteil dieser Kinder stellt Österreich ihr Heimatland dar, viele von ihnen lernen andere Länder erst bei ihrer ersten Schulexkursion kennen. Die rechtlichen Konsequenzen werden den Kindern bereits bewusst, wenn sie beispielsweise vor Schulausflügen ins Ausland Visa beantragen müssen, spätestens jedoch, wenn sie mit 16 Jahren nicht wie die Klassenkamerad:innen vom Wahlrecht Gebrauch machen dürfen oder die Wehrpflicht in einem anderen Land ableisten müssen.
Aber auch die Folgen auf emotionaler Ebene dürfen nicht vernachlässigt werden. Kinder, die in Österreich geboren sind, beherrschen die deutsche Sprache weitaus besser als jede andere. Ihr Freundeskreis besteht zu einem großen Teil aus Österreicher:innen. Kinder, die in Österreich geboren sind, haben keinen Bezug zu den Geburtsländern ihrer Eltern. Ihnen die österreichische Staatsbürger:innenschaft zu verwehren bedeutet gleichzeitig ihnen jegliches Gefühl der Zugehörigkeit zu nehmen.

Zukunft

Geben wir diesen Kindern die Möglichkeit, sich in Österreich weniger fremd zu fühlen. Gerade in Zeiten, in denen uns die Wichtigkeit der Europäischen Union immer wieder vor Auge geführt wird, sollte Österreich die Gelegenheit nutzen und zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten aufschließen, die bereits erfolgreich vorzeigen, wie Zugehörigkeit ermöglicht wird.

QuelleFreundschaft 2014/2
Die Vorgängerin von politikon.at war die "Freundschaft", das Mitgliedermagazin der Jungen Generation in der SPÖ Wien. Sie erschien über ein Jahrzehnt und in ihr wurden viele zeitlose oder noch immer aktuelle Artikel publiziert. Wir möchten sie den*die Leser*innen von politikon.at nicht vorenthalten.

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